Julius Cäsar

Page 25

(Er setzt sich.) Der Geist Cäsars erscheint. Wie dunkel brennt die Kerze!--Ha, wer kommt? Ich glaub, es ist die Schwäche meiner Augen, Die diese schreckliche Erscheinung schafft. Sie kommt mir näher--Bist du irgendwas? Bist du ein Gott, ein Engel oder Teufel, Der starren macht mein Blut, das Haar mir sträubt? Gib Rede, was du bist.

Geist. Dein böser Engel, Brutus.

Brutus. Weswegen kommst du?

Geist. Um dir zu sagen, daß du zu Philippi Mich sehn sollst.

Brutus. Gut, ich soll dich wiedersehn?

Geist. Ja, zu Philippi. (Verschwindet.)

Brutus. Nun, zu Philippi will ich denn dich sehn. Nun ich ein Herz gefaßt, verschwindest du; Gern spräch ich mehr mit dir noch, böser Geist.-- Bursch! Lucius!--Varro! Claudius! wacht auf! Claudius!

Lucius. Die Saiten sind verstimmt.

Brutus. Er glaubt, er sei bei seiner Laute noch. Erwache, Lucius!

Lucius. Herr?

Brutus. Hast du geträumt, daß du so schrieest, Lucius?

Lucius. Ich weiß nicht, mein Gebieter, daß ich schrie.

Brutus. Ja doch, was tatst du; sahst du irgendwas?

Lucius. Nichts auf der Welt.

Brutus. Schlaf wieder, Lucius.--Heda, Claudius! Du, Bursch, wach auf!

Varro. Herr?

Claudius. Herr?

Brutus. Weswegen schriet ihr so in eurem Schlaf?

Varro und Claudius. Wir schrieen, Herr?

Brutus. Ja, saht ihr irgendwas?

Varro. Ich habe nichts gesehn.

Claudius. Ich gleichfalls nicht.

Brutus. Geht und empfehlt mich meinem Bruder Cassius; Er lasse früh voraufziehn seine Macht, Wir wollen folgen.

Varro und Claudius. Herr, es soll geschehn.

(Alle ab.)

Fünfter Aufzug

Erste Szene Die Ebene von Philippi

Octavius, Antonius und ihr Heer

Octavius. Nun, Mark Anton, wird meine Hoffnung wahr. Ihr spracht, der Feind werd auf den Höhn sich halten Und nicht herab in unsre Ebene ziehn; Es zeigt sich anders: seine Scharen nahn! Sie wollen zu Philippi hier uns mahnen Und Antwort geben, eh wir sie befragt.

Antonius. Pah, steck ich doch in ihren Herzen, weiß, Warum sie's tun. Sie wären's wohl zufrieden, Nach andern Plätzen hinzuziehn, und kommen Mit bangem Trotz, im Wahn, durch diesen Aufzug Uns vorzuspiegeln, sie besitzen Mut. Allein dem ist nicht so.

Ein Bote tritt auf.

Bote. Bereitet euch, ihr Feldherrn. Der Feind rückt an in wohlgeschloßnen Reihn. Sein blutges Schlachtpanier ist ausgehängt, Und etwas muß im Augenblick geschehn.

Antonius. Octavius, führet langsam Euer Heer Zur linken Hand der Ebene weiter vor.

Octavius. Zur rechten ich; behaupte du die linke.

Antonius. Was kreuzt Ihr mich, da die Entscheidung drängt?

Octavius. Ich kreuz Euch nicht, doch ich verlang es so.

(Marsch.) Trommeln werden gerührt. Brutus und Cassius kommen mit ihrem Heere; Lucilius, Titinius, Messala und andre.

Brutus. Sie halten still und wollen ein Gespräch.

Cassius. Titinius, steh! Wir treten vor und reden.

Octavius. Antonius, geben wir zur Schlacht das Zeichen?

Antonius. Nein, Cäsar, laßt uns ihres Angriffs warten. Kommt, tretet vor! Die Feldherrn wünschen ja Ein Wort mit uns.

Octavius. Bleibt stehn bis zum Signal.

Brutus. Erst Wort, dann Schlag: nicht wahr, ihr Landsgenossen?

Octavius. Nicht, daß wir mehr als ihr nach Worten fragen.

Brutus. Gut Wort, Octavius, gilt wohl bösen Streich.

Antonius. Ihr, Brutus, gebt bei bösem Streich gut Wort. Des zeuget Cäsars Herz, durchbohrt von Euch, Indes Ihr rieft: "Lang lebe Cäsar, Heil!"

Cassius. Die Führung Eurer Streiche, Mark Anton, Ist uns noch unbekannt; doch Eure Worte Begehn an Hyblas Bienen Raub und lassen Sie ohne Honig.

Antonius. Nicht auch stachellos?

Brutus. O ja! auch tonlos, denn Ihr habt ihr Summen Gestohlen, Mark Anton, und drohet weislich, Bevor Ihr stecht.

Antonius. Ihr tatet's nicht, Verräter, Als eure schnöden Dolch' einander stachen In Cäsars Brust. Ihr zeigtet eure Zähne Wie Affen, krocht wie Hunde, bücktet tief Wie Sklaven euch und küßtet Cäsars Füße; Derweil von hinten der verfluchte Casca Mit tückschem Bisse Cäsars Nacken

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book