König Philipp. Wohlan dann, an die Arbeit; unsre Maschinen sollen gegen die Stirne dieser widerspenstigen Stadt gerichtet werden; ruffet unsern Kriegs- Obersten, um den Plan zum vortheilhaftesten Angriff zu machen. Entweder wollen wir unsre königlichen Gebeine vor diesen Mauern niederlegen, oder wenn wir gleich in französischem Blut auf den Markt-Plaz watten müßten, Angiers diesem jungen Prinzen unterwürfig machen.

Constantia. Wartet noch auf die Antwort, die euer Abgesandter bringen wird; ihr könntet sonst eure Schwerdter zu voreilig mit Blute besudeln. Vielleicht bringt Milord Chatilion aus England eine friedliche Abtretung dieses Rechts, welches ihr durch Krieg erzwingen wollet; und wenn dieses geschähe, würden wir einen jeden Tropfen Bluts bereuen, den eine zu rasche Hize so unzeitig vergossen hätte. (Chatilion zu den Vorigen.)

König Philipp. Ein Wunder, Madam! Seht, auf euern Wunsch ist unser Gesandter, Chatilion, angelangt; meld uns in Kürze, werther Lord, was England uns zur Antwort giebt; wir warten hier müßig auf dich. Rede, Chatilion.

Chatilion. So wendet also eure Macht von dieser armseligen Belagerung, und spornet sie zu einem wichtigern Geschäft auf. England, voll Unwillens über unsre gerechte Forderungen, hat sich in Waffen gestellt; die widrigen Winde, die meine Rükreise verzögerten, haben ihm Zeit gegeben, alle seine Legionen zugleich mit mir ans Land zu sezen. Er rükt mit eilfertigen Märschen gegen diese Stadt an; seine Stärke ist groß, und seine Krieger voller Muth. Mit ihm kommt die Königin-Mutter, eine Ate, die ihn zu Zwietracht und Blutvergiessen anhezt; mit ihr, ihre Nichte, die Infantin Blanca von Spanien; mit ihnen ein natürlicher Sohn des abgelebten Königs, und mit ihm alle unbändigen Köpfe des Landes. Rasche, feurige, tollkühne Freywillige, mit Frauenzimmer-Gesichtchen und Drachen- Herzen, haben ihre angestammten Güter verkauft, und tragen ihr Erbtheil zuversichtlich auf dem Rüken, um hier ein neues Glük zu suchen. Kurz, eine auserlesnere Schaar unerschrokner Geister, als der englische Boden diesesmal übergewälzt hat, schwamm niemals über die schwellende Fluth, um Unheil und Verwüstung in der Christenheit anzurichten. Das zürnende Getöse ihrer Trummeln unterbricht eine umständliche Nachricht; sie sind im Anzug. Bereitet euch also zu einer Unterhandlung oder zum Gefecht.

(Man hört Trummeln.)

König Philipp. Wie schlecht sind wir auf eine solche Expedition versehen!

Östreich. Je unerwarteter sie ist, desto eifriger müssen wir uns zur Gegenwehr stellen; Unser Muth soll mit der Gefahr steigen. Laßt sie denn willkommen seyn, wir sind gerüstet.

Zweyte Scene. (Der König von England, Faulconbridge, Elinor, Blanca, Pembroke und andre zu den Vorigen.)

König Johann. Friede sey mit Frankreich, wenn Frankreich im Frieden unsern rechtmäßigen Einzug in unsre Stadt gestattet; wo nicht, so blute Frankreich, und der Friede schwinge sich gen Himmel, indeß daß wir, Gottes grimmvoller Sachwalter, den stolzen Übermuth züchtigen, der seinen Frieden in den Himmel zurük treibt.

König Philipp. Friede sey mit England, wenn dieser Krieg aus Frankreich nach England zurükkehrt, um dort im Frieden zu leben. Wir lieben England, und nur um Englands willen, schwizen wir hier unter der Last der Waffenrüstung. Diese unsre Arbeit sollte dein freywilliges Werk seyn. Aber du bist so weit entfernt, England zu lieben, daß du seinen rechtmäßigen König unterdrükt, die Erbfolge aufgehoben, die Kindheit des gesezmäßigen Erben mißbraucht, und an der jungfräulichen Ehre der Crone Gewalt verübt hast. Schaue hier auf deines Bruders Gottfrieds Gesicht! Diese Augen, diese Stirne, sind nach den seinigen abgedrukt; in diesem kleinen Inbegriff ist die vollständige Form enthalten, die in Gottfried verstarb, und die Hand der Zeit wird diese verjüngte Gestalt in einen eben so grossen Format ausdehnen. Dieser Gottfried war von Geburt dein ältrer Bruder, und dieser hier ist sein Sohn. England war Gottfrieds Recht, und dieser hat es von Gottfried ererbt; wie kommt es dann, um Gottes willen! daß du ein König genennt wirst, so lange lebendiges Blut in diesen Schläfen schlägt, die einen Anspruch an die Crone haben, welche du zur Ungebühr trägst?

König Johann. Von wem hast du diesen grossen Auftrag, Frankreich, mich zur Antwort auf deine Fragstüke zu ziehen?

König Philipp. Von diesem obersten Richter, der in königlichen Seelen den edlen Gedanken erwekt, gewaltthätigen und ungerechten Thaten nachzufragen. Dieser Richter hat mich zum Beschüzer dieses Knabens gemacht; unter seinem Schuze klag' ich deine Ungerechtigkeit an, und mit seinem Beystand hoff' ich sie zu bestraffen.

William Shakespeare
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