Hubert. Hier ist eure Hand, und euer Sigel, für das was ich that.

König Johann. O, wann die lezte Rechnung zwischen Himmel und Erde gemacht werden wird, dann wird diese Hand und diß Sigel wider uns zeugen! Wie oft wird eine Übelthat nur darum gethan, weil wir die Mittel, sie zu thun, vor uns sehen! Wärest du nicht bey der Hand gewesen, ein Geselle, den die Hand der Natur zu Ausführung einer Schandthat ausgezeichnet hat, dieser Mord wäre mir niemals in den Sinn gekommen. Dein grelles Aussehen, die Geschiklichkeit, die Willigkeit zu gefährlichen Dingen und blutigen Bubenstüken, die ich an dir fand, versuchte mich--Und du, um dich einem König beliebt zu machen, machtest dir kein Gewissen, einen Prinzen zu ermorden.

Hubert. Gnädigster Herr--

König Johann. Hättest du nur deinen Kopf geschüttelt, nur eine Pause gemacht, da ich dir einen dunkeln Wink von meinem Vorhaben gab, nur einen bedenklichen zweifelhaften Blik auf mich geworffen, oder mich gebeten, daß ich deutlich reden sollte; die Schaam würde mich stumm gemacht und deine Furcht auch in mir Furcht erwekt haben. Aber du verstuhndest mich aus blossen Zeichen, und antwortetest auch durch blosse Zeichen; ja, ohne einen Augenblik zu stoken, liessest du dein Herz einwilligen, und dem zufolge deine rauhe Hand die That vollbringen, die beyder Zungen zu nennen sich scheuten--Hinweg aus meinem Gesicht, laß dich nimmer vor mir sehen. Meine Edeln verlassen mich, mein Reich wird überfallen, und die feindlichen Heere stehen schon vor meinen Thoren gelagert; und ach! in diesem Königreich meiner Seele, in diesen Grenzen von Blut und Athem, herrscht Feindseligkeit und bürgerlicher Aufruhr zwischen meinem Gewissen und meines Neffen Tod.

Hubert. Waffnet euch gegen eure andern Feinde, ich will zwischen euch und euerm Gewissen Friede machen. Der junge Arthur lebt noch; diese meine Hand ist noch eine jungfräuliche, unschuldige Hand, und von Blut unbeflekt. Noch niemals ist in diesen Busen ein meuchelmördrischer Gedanke gekommen, und ihr habt durch euer Urtheil von meinem Aussehen die Natur verleumdet. So rauh es scheinen mag, so bedekt es doch ein Gemüth, das zu edel ist, der Henker eines unschuldigen Kindes zu seyn.

König Johann. Lebt Arthur noch? O so eile zu den Pairs, giesse diese Nachricht auf ihren flammenden Grimm, und zähme sie zu ihrer Schuldigkeit. Vergieb der Auslegung, die meine Leidenschaft über deine Gestalt gemacht hat, denn meine Wuth war blind; und Augen, in denen meine Einbildung eine Blutschuld funkeln sah, stellten dich mir gräßlicher dar als du bist. O, antworte mir nicht, sondern bringe mir die erzürnten Lords mit der äussersten Geschwindigkeit in mein Cabinet. Ich beschwöre dich nur langsam; renne noch eilfertiger.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene. (Eine Strasse vor einem Gefängniß.) (Arthur tritt verkleidet an die Mauer desselben.)

Arthur. Die Mauer ist hoch, und doch will ich herunter springen. Guter Boden, sey mitleidig und thu mir kein Leid. Es kennt mich hier niemand, und wenn man mich auch kennte, so macht mich diese Gestalt eines Schifferjungens völlig unerkenntlich. Ich fürchte mich, und doch will ich es wagen. Wenn ich herunter komme, und unbeschädigt bleibe, will ich tausend Mittel finden, davon zu kommen; es ist eben so gut mein Leben zu wagen, indem ich zu entkommen suche, als mein Leben zu verliehren, wenn ich bleibe.

(Er springt herab.)

Weh mir, meines Oheims Geist ist in diesen Steinen! Himmel, nimm meine Seele auf, und England meine Gebeine.

(Er stirbt.)

(Pembrok, Salisbury und Bigot treten auf.)

Salisbury. Lords, ich will ihm zu St. Edmondsbury entgegen kommen; es ist für uns das sicherste; wir können in den gefährlichen Umständen, worinn wir sind, dieses freundliche Anerbieten nicht ausschlagen.

Pembrok. Wer überbrachte diesen Brief von dem Cardinal?

Salisbury. Der Graf von Melun, ein Französischer Edelmann, dessen mündliche Erzählung von des Dauphins guter Gesinnung gegen uns mir noch weit mehr gesagt hat, als dieser Brief

Bigot. So wollen wir ihm dann morgen früh entgegen gehen.

William Shakespeare
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