Herzog. Haltet, mein Herr, haltet noch ein wenig.
Angelo. Wie? er widersezt sich? helft ihm, Lucio.
Lucio. Kommt, mein Herr; hey da, Herr, kommt, ein wenig hieher, mein Herr; wie? du kahlköpfichter lügenhafter Schurke; du must um einen Kopf kürzer gemacht werden; gelt, du must? Zeig dein Schelmengesicht, daß du die Kränke kriegest; zeig dein bißiges Schaafs-Gesicht, und laß dich in einer Stunde hängen: Willt du nicht fort?
(Er reißt die Mönchs-Kutte ab, und entdekt den Herzog.)
Herzog. Du bist der erste Spizbube, der jemals einen Herzog gemacht hat. Fürs erste, Kerkermeister, laß mich für diese drey wakern Leute Bürge seyn--Schleicht euch nicht hinweg, junger Herr, denn der Frater und ihr haben noch ein Wort mit einander zu sprechen; macht ihn feste.
Lucio. Das kan noch ärger werden, als hängen.
Herzog (zu Escalus.) Was ihr gesprochen habt, soll vergeben seyn; Sezt euch; wir wollen einen Plaz von diesem Herrn da borgen.
(Zu Angelo.)
Mit eurer Erlaubniß, mein Herr--Hast du Worte, oder Wiz, oder Unverschämtheit, die dir noch Dienste thun können? Wenn du hast, so stüze dich darauf, bis ich meine Erzählung gemacht habe, und halte dann noch aus, wenn du kanst.
Angelo. O mein furchtbarer Fürst, ich müßte schuldiger seyn als meine Schuld, wenn ich hoffen wollte verborgen zu bleiben, da ich merke, daß Euer Durchlaucht, gleich einer unsichtbaren Gottheit, meine Tritte beobachtet hat: Lasset also, Gnädigster Herr, kein längeres Gericht über meine Schande gehalten werden, mein eignes Bekenntniß macht alle Untersuchung überflüssig; ein unmittelbares Urtheil und der Tod, ist alle Gnade, um die ich bitte.
Herzog. Kommt hieher, Mariane! Sprich, warst du jemals mit diesem Frauenzimmer verlobt?
Angelo. Ich war, Gnädigster Herr.
Herzog. So nimm sie hier, und heurathe sie diesen Augenblik; verrichtet ihr die Ceremonie, Pater; wenn sie vorbey ist, so bringt ihn wieder hieher: Geht mit ihm, Kerkermeister.
(Angelo, Mariane, Peter und Kerkermeister gehen ab.)
Fünfte Scene.
Escalus. Gnädigster Herr, ich bin mehr über seine Schande bestürzt, als über die Seltsamkeit der Sache.
Herzog. Tretet näher, Isabella; euer Frater ist nun euer Fürst, ich war in jener Person euer getreuer Freund und Rathgeber, und, ohne mein Herz mit meinem Anzug zu verändern, werde ich allezeit zu euerm Dienst gewidmet bleiben.
Isabella. O! vergebet mir, mein gnädigster Herr, daß ich, eure Vasallin, eure unerkannte Hoheit beschäftigt und bemühet habe.
Herzog. Es ist euch vergeben, Isabella; und nun, theures Mädchen, lasset mir das gleiche Recht wiederfahren. Ich weiß es, euers Bruders Tod ligt schwer auf euerm Herzen, und ihr werdet euch wundern, warum ich mich begnügt, verborgner Weise seine Rettung zu suchen, und nicht lieber meine verkleidete Macht plözlich zu erkennen gegeben, als ihn so verlohren gehen zu lassen; aber wisset, liebenswürdigstes Geschöpf, daß nichts als die zuschnelle Vollziehung seines Todesurtheils, von der ich dachte, daß sie später erfolgen würde, meinem Vorsaz zuvoreilte; doch Friede sey über ihn! Das Leben ist das Beste, das sich vor keinem Tode mehr fürchten muß; tröstet euch damit; euer Bruder ist glüklich.
Isabella. Ich thu es, Gnädigster Herr.
Sechste Scene. (Angelo, Mariane, Peter und Kerkermeister zu den Vorigen.)
Herzog (zu Isabella.) Was diesen neuvermählten Mann, der hier wieder zurük kommt, betrift, dessen üppige Einbildungskraft eure wolvertheidigte Ehre beleidigt hat, so vergebt ihm um Marianens willen: Allein in sofern er, der eines doppelten Verbrechens, der verlezten Keuschheit und des gebrochnen Versprechens, sich schuldig wußte, euerm Bruder das Todes-Urtheil sprach, so ruft selbst die Barmherzigkeit des Gesezes mit lauter Stimme, und aus seinem eignen Munde, Angelo für Claudio, Tod für Tod, Gleiches für gleiches, und Maaß für Maaß.
(Er wendet sich zum Angelo.)
Angelo, deine Verbrechen sind so offenbar, daß du sie nicht läugnen könntest, wenn du auch wolltest; wir verurtheilen dich also, auf eben demselben Blok dein Leben zu verliehren, worauf Claudio sich zum Tod bükte, und mit eben solcher Eile.