Macbeth

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König. Sein Beyspiel überführt mich, daß es keine Kunst giebt, die innere Gestalt des Gemüths in einem Gesicht zu lesen: Er war ein Mann, auf den ich mein ganzes Vertrauen baute. (Macbeth, Banquo, Rosse und Angus zu den Vorigen.) O verdienstvoller Vetter! Die Sünde meiner Undankbarkeit lag nur eben schwer auf mir. Du bist so weit voraus, daß der schnelleste Flügel der Belohnung zu langsam ist, dich einzuholen. Ich wünschte, du hättest weniger verdient, damit es mir möglich wäre dich nach Würden zu belohnen. Nun bleibt mir nichts übrig als zu bekennen, daß ich dir mehr schuldig bin als alles, was ich habe, bezahlen kan.

Macbeth. Die Dienste, die ich geleistet, sind nicht grösser als meine Pflicht und belohnen sich selbst. Eurer Hoheit kommt es zu, unsre Dienste zu erhalten; sie sind Kinder und Diener des Throns und des Staats, die, wenn sie alles gethan, nur ihre Schuldigkeit gethan haben, da sie durch Lehenspflicht euerm Leben und eurer Crone verpflichtet sind.

König. Sey willkommen: Ich habe angefangen, dich zu pflanzen, und ich will mir angelegen seyn lassen, dein Wachsthum zu befördern. Edler Banquo, du hast nicht weniger verdient, und es soll erkannt werden; laß mich dich umarmen, und an mein Herz dich halten!

Banquo. Wenn ich da wachse, so ist der Herbst euer.

König. Meine Freude ist so groß, daß sie mir Thränen erpreßt. Söhne, Vettern, Thans, und ihr, deren Pläze mir die nächsten sind, wisset, daß wir unsern ältesten Sohn Malcolm zu unserm Thronfolger bestimmt haben, und ihn von nun an zum Prinzen von Cumberland ernennen: Dieser einzige Vorzug soll ihn aus den Verdienstvollen Männern kennbar machen, die mit glänzenden Zeichen des Adels geschmükt, wie Sterne unsern Thron umschimmern werden--Izt nach Inverneß; und fahret fort, uns euch verbunden zu machen.

Macbeth. Das übrige ist eine Arbeit, die nicht für Eu. Hoheit gemacht ist; ich will selbst der Wirth seyn, und mein Weib mit der Nachricht von eurer Ankunft erfreuen; und so nehm' ich demüthig meinen Abschied.

König. Mein würdiger Cawdor!

Macbeth (im Weggehen vor sich.) Prinz von Cumberland!--Das ist eine Stuffe, auf der ich fallen, oder die ich überspringen muß, denn sie ligt mir im Wege. Sterne, verhüllt euer Feuer! Laßt selbst die Nacht nicht sehen, was für schwarze Gedanken sich tief aus meiner Brust empor arbeiten--

(Er geht ab.)

König. In der That, würdiger Banquo; er ist ein Held, und ich kann mich nicht ersättigen, ihn zu loben. Wir wollen ihm folgen, da seine Sorgfalt vorangegangen ist uns zu empfangen; er ist ein unvergleichlicher Mann.

(Sie gehen ab.)

Siebende Scene. (Verwandelt sich in ein Zimmer in Macbeths Schloß zu Inverneß.) (Lady Macbeth tritt mit einem Brief in der Hand auf.)

Lady (ließt.) "Sie begegneten mir am Tage des Siegs, und aus der Erfüllung ihrer ersten Weissagung sah ich, daß sie mehr als Sterbliche wissen. Da ich vor Begierde brannte, mehr von ihnen zu erfahren, verschwanden sie. Ich stuhnd noch vor Erstaunen ausser mir, als Abgeordnete vom König ankamen, die mich Than von Cawdor grüßten, mit dem nemlichen Titel, womit zuvor diese Zauber-Schwestern mich begrüßt, und durch einen dritten Gruß mir noch angezeigt hatten, daß ich dereinst König seyn sollte. Dieses hab ich nöthig erachtet, dir zu entdeken, theureste Genoßin meiner Grösse, damit du deinen Antheil an meiner Freude nicht verliehrest, wenn du länger unwissend wärest, was für eine Grösse dir versprochen ist. Leg' es an dein Herz, und lebe wohl."--Glamis bist du und Cawdor--und sollst seyn, was dir versprochen worden. Und doch fürcht ich deine Gemüthsart, es ist zuviel Milch, zuviel mildes Wesen darinn, um den nächsten Weg einzuschlagen. Du bist nicht ohne Ehrgeiz; du möchtest groß seyn; aber nicht durch schlimme Mittel. Du möchtest gewinnen was dir nicht gehört, und doch nicht falsch spielen; du wünschest nicht daß es ungethan bleibe, aber du scheuest dich es selbst zu thun. Eile, eile herbey, damit ich meinen Geist in dein Ohr giessen, und durch die Tapferkeit meiner Zunge alle diese Gedanken von dir abtreiben könne, die dich von dem goldnen Zirkel zurükscheuchen, womit das Schiksal und übernatürliche Mächte dich gerne bekrönen möchten. (Ein Courier tritt auf.) Was bringt ihr für Nachrichten?

Courier. Der König kommt auf diese Nacht hieher.

William Shakespeare
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