Macbeth

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Um allen den Raum, den der Tyrann in seinen Klauen hält, und den reichen Ost dazu, wollt ich der Elende nicht seyn, für den du mich ansiehst.

Malcolm. Werdet nicht unwillig; was ich sage, kommt nicht eigentlich von einem Mißtrauen her, so ich in euch seze. Ich denke unser Vaterland sinkt unters Joch, es weint, es blutet, und jeder neue Tag ist eine neue Wunde zu seinen vorigen. Ich zweifle nicht, es würden Hände für mein Recht aufgehoben werden; und hier bietet mir Englands mitleidige Freundschaft etliche Tausende an. Aber gesezt auch, ich träte endlich auf des Tyrannen Haupt, oder trüg' es an der Spize meines Schwerdts, so wird mein armes Vaterland nichts dabey gewinnen; es wird nur noch mehr Gebrechen haben, als zuvor, und von seinem Nachfolger noch mehr und auf eine mannichfaltigere Art leiden als jemals.

Macduff. Und wer sollte der seyn?

Malcolm. Mich selbst meyn ich,* mich, in welchen alle besondre Laster so eingepfropft sind, daß wenn sie sich aufthun und ausbreiten werden, der schwarze Macbeth schneeweiß scheinen, und der arme Staat ihn, mit meiner grenzenlosen Bosheit verglichen, für ein mildes Lamm ansehen wird.

{ed.-* Diese Unterredung Malcolms mit Macduff ist aus den Chroniken von Schottland genommen. Pope.}

Macduff. Aus allen Legionen des flammenden Abgrunds kan kein verruchterer Teufel als Macbeth hervorkommen.

Malcolm. Ich gesteh' es, er ist blutgierig, schwelgerisch, geizig, falsch, tükisch, launisch, boßhaft, und stinkt nach jeder Sünde, die einen Namen hat. Aber in meiner Ruchlosigkeit ist kein Boden, nein, keiner; eure Weiber, eure Töchter, eure Mütter und eure noch unzeitigen Mädchen reichten nicht zu, die Cisterne meiner Lust aufzufüllen; und es sind keine Schranken, keine Hindernisse zu ersinnen, die meine unbändige Begierde nicht überspringen würde. Besser, Macbeth herrsche als ein Solcher.

Macduff. Grenzenlose Üppigkeit ist eine Art von Tyranney; und hat schon manchen Thron vor der Zeit leer gemacht, ist schon der Sturz mancher Könige gewesen. Aber fürchtet euch deßwegen nicht zu übernehmen, was euer ist; ihr könnt euren Ergözungen ein weites Ziel steken, ohne sie dem allgemeinen Auge auszusezen. Wir haben willige Damen genug; es kan kein solcher Geyer in euch seyn, dessen Gefräßigkeit zu ersättigen, nicht alle diejenigen zureichen sollten, die sich der Majestät freywillig widmen werden, sobald sie diese Neigung an ihr bemerkt haben.

Malcolm. Überdas, wächst unter meinen andern unordentlichen Neigungen, ein so unersättlicher Geiz, daß wenn ich König wäre, ich meine Edeln aus dem Wege räumen würde, um ihre Güter an mich zu reissen; bey diesem würden mich seine kostbaren Mobilien reizen, bey jenem sein Haus; der Anwachs meines Eigenthums würde nur wie eine Brühe seyn, die mich immer hungriger machte; so daß ich an rechtschaffne Leute ungerechte Händel suchen, und sie verderben würde, um ihre Reichthümer zu haben.

Macduff. Dieser Geiz schlägt tiefer ein, und breitet sich in verderblichere Wurzeln aus, als die Wollust, die mit dem Sommer des Lebens ihre Hize verliehrt; Er ist das Schwerdt gewesen, das unsre Könige erschlagen hat: aber fürchtet auch dieses nicht; Schottland hat Überfluß, eure Habsucht mit demjenigen anzufüllen, was euer rechtmäßiges Eigenthum seyn wird. Alles das ist noch erträglich, wenn es durch andre Tugenden vergütet wird.

Malcolm. Aber, die hab' ich nicht; von allen diesen königlichen Tugenden, Gerechtigkeit, Wahrheit, Mäßigung, Standhaftigkeit, Güte, Gnade, Demuth, Frömmigkeit, Geduld, Herzhaftigkeit, Tapferkeit, ist nicht ein Funke in mir; alle meine Neigungen, alle Triebfedern meines Willens sind eben so viele Laster, und ich übe jede auf alle mögliche Arten aus. Ja, hätt' ich das Vermögen dazu, ich würde die süsse Milch der Eintracht in die Hölle schütten, den allgemeinen Frieden aufstören, und die ganze Erde zu einem Schauplaz der Verwüstung machen.

Macduff. O Schottland, Schottland!

Malcolm. Wenn ein solcher zur Regierung tauglich ist, so redet; ich bin, wie ich gesagt habe.

William Shakespeare
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