Othello. Nein, warte--Du solltest ehrlich seyn--

Jago. Ich sollte klug seyn; Ehrlichkeit ist ein Narr, der jedermann gutes thut, und nur sich selbst schadet.

Othello. Bey allem was in der Welt ist, ich denke mein Weib ist unschuldig, und denke sie ists nicht; ich denke du bist rechtschaffen, und denke du bist's nicht; ich will Beweis haben. Ihr Name, der so frisch war wie Dianens Antliz, ist nun so schwarz als mein eignes. Nein, wenn noch Strike, noch Dolche, noch Gift, Feuer oder Wasser in der Welt sind, so will ich diese Pein nicht länger ausstehen-- Ich wollt' ich wäre meines Schiksals gewiß!

Jago. Ich sehe, Gnädiger Herr, ihr werdet von eurer Leidenschaft aufgerieben. Es reut mich, daß ich Anlas dazu gegeben habe. Ihr wollt eures Schiksals gewiß seyn?

Othello. Ja, das will ich.

Jago. Und könnt; aber wie? wie gewiß seyn, Gnädiger Herr? wolltet ihr ein Augenzeuge seyn--mit weitoffnen Augen zusehen? Sehen wie sie--

Othello. Tod und Verdammniß! oh!

Jago. Ich denk' es würde schwer halten, sie so vertraulich zu machen: Bey solchen Spielen liebt man keine fremde Augen zu Zuschauern. Was dann? Wie dann? Was soll ich sagen? Was nennt ihr Gewißheit? Es ist unmöglich, daß ihr's mit Augen sehen könnt; und wenn sie so unverschämt wären wie Geissen, so hizig wie die Wald-Teufels, und so unbesonnen wie ein Dummkopf, den man mit Wein angefüllt hat. Und doch sag ich, wenn Wahrscheinlichkeiten, wenn Umstände die geradeswegs bis vor die Thüre der Wahrheit führen, euch Gewißheit geben können, so könnt' ihr sie haben.

Othello. Gieb mir einen überführenden Beweis, daß sie ungetreu ist.

Jago. Ihr legt mir eine unangenehme Pflicht auf; aber da ich mich nun einmal, aus unüberlegter Aufrichtigkeit und Freundschaft, so weit in diese Sache eingelassen habe, so will ich weiter gehen. Ich lag lezthin mit Cassio in einem Bette; ein rasender Zahn machte daß ich nicht schlafen konnte--Es giebt eine Art von Leuten, deren Seele so schlapp ist, daß ihnen ihre geheimsten Gedanken im Schlaf entgehen. Von dieser Art ist Cassio. Er redte im Schlaf. Liebste Desdemona, hört' ich ihn sagen, laß uns vorsichtig seyn. Laß uns unser Liebes-Verständniß dem schärfsten Aug' unerforschlich machen! Und dann, gnädiger Herr, tappte er um sich, und drükte mir die Hand, rief--O bezauberndes Geschöpf! und küßte mich dann nicht anders, als ob er Küsse, die auf meinen Lippen wüchsen, mit den Wurzeln ausziehen wollte, legte dann sein Bein über meinen Schenkel, und seufte und küßte mich, und rief, verfluchtes Schiksal, das dich dem Mohren gab!

Othello. O Scheusal! Scheusal!

Jago. Nein, das war nur ein Traum.

Othello. Aber ein Traum, der ganz deutlich anzeigt, was geschehen ist.

Jago. Das ist ein verdammter Zweifel, ob es gleich nur ein Traum ist. Es kan doch immer dazu dienen, andre, an sich selbst zu schwache Anzeigen zu verstärken.

Othello. Ich will sie von Glied zu Glied in Stüke reissen.

Jago. Nicht so heftig! Fasset euch; noch (sehen) wir nichts, sie kan noch unschuldig seyn--Sagt mir nur das, habt ihr niemals ein Schnupftuch, mit Erdbeeren überstikt, in eurer Gemahlin Hand gesehen?

Othello. Ich gab ihr so eines, es war mein erstes Geschenk.

Jago. Davon weiß ich nichts; aber mit einem solchen Schnupftuch (und ich bin gewiß, es war eurer Gemahlin ihres,) sah ich Cassio heute seinen Bart wischen.

Othello. Wenn's das nemliche wäre--

Jago. Es mag dieses oder ein anders seyn, so war es doch von ihr, und, zu den andern Proben genommen, spricht es nicht zu ihrem Vortheil.

Othello. O daß die Elende tausend Leben hätte! Eines ist zu wenig für meine Rache. Nun seh ich endlich--Schau, Jago, so blase ich alle meine Liebe dem Himmel zu: Sie ist weg;--erhebe dich, schwarze Rache, aus deiner unseligen Gruft! und du, Liebe, tritt dem tyrannischen Haß deinen Thron und deine Krone ab! Wie mein Herz mir schwillt, als ob es mit lauter Natter-Zungen angefüllt wäre!

Jago. Gebt euch noch zufrieden.

Othello. O Blut, Blut, Blut!--

Jago. Geduld, sag ich; ihr könnt vielleicht anders Sinnes werden.

William Shakespeare
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