Othello. An den Galgen mit ihr, ich sage nur was sie ist--eine so feine Arbeiterin mit der Nadel--eine vortrefliche Musicantin--Oh, sie würde die Wildheit aus einem Bären heraus singen so belebt, so wizig! So voller Geist!
Jago. Desto schlimmer ist sie um das alles.
Othello. O, tausend, tausendmal: Und dann von so einnehmender Gestalt!--
Jago. Nur gar zu einnehmend.
Othello. Ja, das ist wahr. Aber doch ist es erbärmlich, Jago--oh, Jago, es ist erbärmlich!--
Jago. Wenn ihr so zärtlich gegen ihre Bosheiten seyd, so gebt ihr ein Patent, daß sie euch beleidigen darf wie sie will; wenn ihr gleichgültig dabey seyd, so hat sich niemand darum zu bekümmern.
Othello. Ich will sie in kleine Stükchen haken: Mich zum Hahnrey zu machen!
Jago. Es ist garstig an ihr!
Othello. Mit meinem Lieutenant!
Jago. Das ist noch garstiger!
Othello. Verschaffe mir eine Dose Gift bis auf die Nacht, Jago; ich will keinen Wortwechsel mit ihr haben--ich darf meine Standhaftigkeit nicht an ihre Reizungen wagen--Diese Nacht, Jago--
Jago. Aber nicht durch Gift; erdrosselt sie in ihrem Bette, in dem Bette, das sie entweiht hat.
Othello. Gut, gut; dieses Mittel gefällt mir, weil es gerecht ist--
Jago. Und was den Cassio betrift, den überlaßt mir; bis Mitternacht sollt ihr mehr hören.
(Eine Trompete hinter der Scene.)
Othello. Vortrefflich! Wie? Was bedeutet diese Trompete?
Jago. Vermuthlich etwas von Venedig--Es ist Lodovico, vom Herzog abgeschikt: Au, seht, eure Gemahlin ist schon bey ihm.
Sechste Scene. (Lodovico, Desdemona, und Gefolge treten auf.)
Lodovico. Seyd mir gegrüßt, würdiger General.
Othello. Ich erwiedre den Wunsch von ganzem Herzen, mein Herr.
Lodovico. Der Herzog und die Senatoren von Venedig grüssen euch.
(Er überreicht ihm ein Schreiben.)
Othello. Ich küsse die Urkunde ihrer Befehle.
Desdemona. Und was giebt es neues, mein lieber Vetter Lodovico?
Jago. Ich bin sehr erfreut euch zu sehen, mein Herr; willkommen in Cypern.
Lodovico. Ich danke euch; was macht der Lieutenant Cassio?
Jago. Er lebt, mein Herr.
Desdemona. Vetter, es ist zwischen meinem Gemahl und ihm zu einem unfreundlichen Bruch gekommen; aber ihr werdet alles wieder gut machen.
Othello (vor sich.) Seyd ihr dessen so gewiß?
Desdemona. Mein Gemahl?
Othello (ließt.) "Ermangelt nicht, dieses zu befolgen, so lieb euch--"
Lodovico (zu Desdemona.) Er rief euch nicht; er ist in seinem Schreiben vertieft. Ist ein Mißverständnis zwischen dem General und Cassio?
Desdemona. Ein sehr unglükliches; ich wollte gern alles thun, sie wieder zu vereinigen, so lieb ist mir Cassio.
Othello. Feuer und Schwefel! (vor sich.)
Desdemona. Mein Gemahl!
Othello. Seyd ihr bey Verstand?
Desdemona (zu Lodovico.) Wie, ist er zornig?
Lodovico. Vielleicht hat ihn das Schreiben in einige Bewegung gebracht. Denn, wie ich vermuthe, so beruffen sie ihn nach Hause, und befehlen ihm, sein Gouvernement dem Cassio zu überlassen.
Desdemona. Glaubt mir, es erfreut mich.
Othello. In der That! (vor sich.)
Desdemona. Mein Gemahl!
Othello. Ich bin erfreut, dich toll zu sehen. (vor sich.)
Desdemona. Wie, mein liebster Othello?
Othello (nach ihr schlagend.) Teufel!--
Desdemona. Das hab' ich nicht verdient.
Lodovico. Mein Herr, in Venedig würde das niemand glauben, wenn ich gleich schwüre, daß ichs gesehen habe. Es ist sehr viel; bittet ihr's ab; sie weint.
Othello. O Teufel! Teufel! Könnte die Erde von Weiberthränen geschwängert werden, jeder Tropfe, den sie weint, würde ein Crocodil werden: Aus meinem Gesicht--
Desdemona (indem sie gehen will.) Ich will gehen, wenn euch mein Anblik so zuwieder ist.
Lodovico. Wahrhaftig, eine gehorsame Frau--ich bitte Euer Gnaden, ruffet sie zurük.
Othello. Madam--
Desdemona. Mein Gemahl--
Othello. Was wollt ihr mit ihr, mein Herr?
Lodovico. Wer, ich, mein Herr?
Othello. Ja; ihr wolltet ja, ich sollte machen, daß sie sich wieder umdrehe. Herr, sie kan sich drehen, und drehen, und doch weiter kommen; sie ist eine Meisterin darinn.