Romeo und Julia

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PARIS Ihr geltet beid als ehrenwerte Männer, Und Jammer ists um Euren langen Zwiespalt. Doch, edler Graf, wie dünkt Euch mein Gesuch?

CAPULET Es dünkt mich so, wie ich vorhin gesagt. Mein Kind ist noch ein Fremdling in der Welt, Sie hat kaum vierzehn Jahre wechseln sehn. Laßt noch zwei Sommer prangen und verschwinden, Eh wir sie reif, um Braut zu werden, finden.

PARIS Noch jüngre wurden oft beglückte Mütter.

CAPULET Wer vor der Zeit beginnt, der endigt früh. All meine Hoffnungen verschlang die Erde; Mir blieb nur dieses hoffnungsvolle Kind. Doch werbt nur, lieber Graf! Sucht Euer Heil! Mein Will ist von dem ihren nur ein Teil. Wenn sie aus Wahl in Eure Bitten willigt, So hab ich im voraus ihr Wort gebilligt, Ich gebe heut ein Fest, von alters hergebracht, Und lud darauf der Gäste viel zu Nacht, Was meine Freunde sind: Ihr, der dazu gehöret, Sollt hoch willkommen sein, wenn Ihr die Zahl vermehret. In meinem armen Haus sollt Ihr des Himmels Glanz Heut nacht verdunkelt sehn durch irdscher Sterne Tanz. Wie muntre Jünglinge mit neuem Mut sich freuen, Wenn auf die Fersen nun der Fuß des holden Maien Dem lahmen Winter tritt: die Lust steht Euch bevor, Wann Euch in meinem Haus ein frischer Mädchenflor Von jeder Seit umgibt. Ihr hört, Ihr seht sie alle, Daß, die am schönsten prangt, am meisten Euch gefalle. Dann mögt Ihr in der Zahl auch meine Tochter sehn, Sie zählt für eine mit, gilt sie schon nicht für schön. Kommt, geht mit mir!--Du, Bursch, nimm das Papier mit Namen, Trab in der Stadt herum, such alle Herrn und Damen, So hier geschrieben stehn,

(übergibt ein Papier)

und sag mit Höflichkeit: Mein Haus und mein Empfang steh ihrem Dienst bereit.

(Capulet und Paris gehen ab.)

DIENER Die Leute soll ich suchen, wovon die Namen hier geschrieben stehn? Es steht geschrieben, der Schuster soll sich um seine Elle kümmern, der Schneider um seinen Leisten, der Fischer um seinen Pinsel, der Maler um seine Netze. Aber mich schicken sie, um die Leute ausfindig zu machen, wovon die Namen hier geschrieben stehn, und ich kann doch gar nicht ausfindig machen, was für Namen der Schreiber hier aufgeschrieben hat. Ich muß zu den Gelahrten!--

DRITTE SZENE

(Ein Zimmer in Capulets Hause)

(Gräfin Capulet und die Wärterin.)

GRÄFIN CAPULET Ruft meine Tochter her; wo ist sie, Amme?

WÄRTERIN Bei meiner Jungfernschaft im zwölften Jahr, Ich rief sie schon.--He, Lämmchen! zartes Täubchen-- Daß Gott! wo ist das Kind? He, Juliette!

(Julia kommt.)

JULIA Was ist? Wer ruft mich?

WÄRTERIN Eure Mutter.

JULIA Hier bin ich, gnädge Mutter! Was beliebt?

GRÄFIN CAPULET Die Sach ist diese!--Amme, geh beiseit, Wir müssen heimlich sprechen.--Amme, komm Nur wieder her, ich habe mich besonnen, Ich will dich mit zur Überlegung ziehn. Du weißt, mein Kind hat schon ein hübsches Alter.

WÄRTERIN Das zähl ich, meiner Treu, am Finger her.

GRÄFIN CAPULET Sie ist nicht vierzehn Jahre.

WÄRTERIN Ich wette vierzehn meiner Zähne drauf-- Zwar hab ich nur vier Zahn, ich arme Frau--, Sie ist noch nicht vierzehn. Wie lang ists bis Johannis?

GRÄFIN CAPULET Ein vierzehn Tag und drüber.

WÄRTERIN Nun, drüber oder drunter. Just den Tag, Johannistag zu Abend, wird sie vierzehn. Suschen und sie--Gott gebe jedem Christen Das ewge Leben!--waren eines Alters. Nun, Suschen ist bei Gott; Sie war zu gut für mich. Doch wie ich sagte, Johannistag zu Abend wird sie vierzehn. Das wird sie, meiner Treu; ich weiß recht gut. Elf Jahr ists her, seit wir 's Erdbeben hatten; Und ich entwöhnte sie--mein Leben lang Vergeß ichs nicht--just auf denselben Tag. Ich hatte Wermut auf die Brust gelegt Und saß am Taubenschlage in der Sonne; Die gnädge Herrschaft war zu Mantua. Ja, ja! Ich habe Grütz im Kopf! Nun, wie ich sagte: Als es den Wermut auf der Warze schmeckte Und fand ihn bitter--närrsches, kleines Ding--, Wie's böse ward und zog der Brust ein Gsicht! Krach! sagt' der Taubenschlag; und ich, fürwahr, Ich wußte nicht, wie ich mich tummeln sollte, Und seit der Zeit ists nun elf Jahre her. Denn damals stand sie schon allein; mein Treu, Sie lief und watschelt' Euch schon flink herum. Denn tags zuvor fiel sie die Stirn entzwei, Und da hob sie mein Mann--Gott hab ihn selig! Er war ein lustger Mann--vom Boden auf. Ei, sagt' er, fällst du so auf dein Gesicht? Wirst rücklings fallen, wenn du klüger bist, Nicht wahr, mein Kind? Und liebe, heilge Frau! Das Mädchen schrie nicht mehr und sagte: Ja. Da seh man, wie so 'n Spaß zum Vorschein kommt! Und lebt ich tausend Jahre lang, ich wette, Daß ich es nie vergaß.

William Shakespeare
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