Romeo und Julia

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Nicht wahr, mein Kind? sagt' er; Und 's liebe Närrchen ward still und sagte: Ja.

GRÄFIN CAPULET Genug davon, ich bitte, halt dich ruhig.

WÄRTERIN Ja, gnädge Frau. Doch lächerts mich noch immer, Wie 's Kind sein Schreien ließ und sagte: Ja, Und saß ihm, meiner Treu, doch eine Beule, So dick wie 'n Hühnerei, auf seiner Stirn, Recht gfährlich dick, und es schrie bitterlich. Mein Mann, der sagte: Ei, fällst aufs Gesicht? Wirst rücklings fallen, wenn du älter bist. Nicht wahr, mein Kind? Still wards und sagte: Ja.

JULIA Ich bitt dich, Amme, sei doch auch nur still.

WÄRTERIN Gut, ich bin fertig. Gott behüte dich! Du warst das feinste Püppchen, das ich säugte. Erleb ich deine Hochzeit noch einmal, So wünsch ich weiter nichts.

GRÄFIN CAPULET Die Hochzeit, ja, das ist der Punkt, von dem Ich sprechen wollte. Sag mir, liebe Tochter, Wie stehts mit deiner Lust, dich zu vermählen?

JULIA Ich träumte nie von dieser Ehre noch.

WÄRTERIN Ein Ehre! Hättst du eine andre Amme Als mich gehabt, so wollt ich sagen: Kind, Du habest Weisheit mit der Milch gesogen.

GRÄFIN CAPULET Gut, denke jetzt dran; jünger noch als du Sind angesehne Fraun hier in Verona Schon Mütter worden. Ist mir recht, so war Ich deine Mutter in demselben Alter, Wo du noch Mädchen bist. Mit einem Wort: Der brave Paris wirbt um deine Hand.

WÄRTERIN Das ist ein Mann, mein Fräulein! Solch ein Mann, Als alle Welt--ein wahrer Zuckermann!

GRÄFIN CAPULET Die schönste Blume von Veronas Flor.

WÄRTERIN Ach ja, 'ne Blume! Gelt, 'ne rechte Blume!

GRÄFIN CAPULET Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann? Heut abend siehst du ihn bei unserm Fest. Dann lies im Buche seines Angesichts, In das der Schönheit Griffel Wonne schrieb, Betrachte seiner Züge Lieblichkeit, Wie jeglicher dem andern Zierde leiht. Was dunkel in dem holden Buch geblieben, Das lies in seinem Aug am Rand geschrieben. Und dieses Freiers ungebundner Stand, Dies Buch der Liebe braucht nur einen Band. Der Fisch lebt in der See, und doppelt teuer Wird äußres Schön' als innrer Schönheit Schleier. Das Buch glänzt allermeist im Aug der Welt, Das goldne Lehr in goldnen Spangen hält. So wirst du alles, was er hat, genießen, Wenn du ihn hast, ohn etwas einzubüßen.

WÄRTERIN Einbüßen? Nein, zunehmen wird sie eher; Die Weiber nehmen oft durch Männer zu.

GRÄFIN CAPULET Sag kurz, fühlst du dem Grafen dich geneigt?

JULIA Gern will ich sehn, ob Sehen Neigung zeugt; Doch weiter soll mein Blick den Flug nicht wagen, Als ihn die Schwingen Eures Beifalls tragen.

(Ein Diener kommt.)

DIENER Gnädige Frau, die Gäste sind da, das Abendessen auf dem Tisch; Ihr werdet gerufen, das Fräulein gesucht, die Amme in der Speisekammer zum Henker gewünscht, und alles geht drunter und drüber. Ich muß fort, aufwarten; ich bitte Euch, kommt unverzüglich!

GRÄFIN CAPULET Gleich!--

(Der Diener geht ab.)

Paris wartet; Julia, komm geschwind!

WÄRTERIN Such frohe Nacht auf frohe Tage, Kind!

(Alle ab.)

VIERTE SZENE

(Eine Straße)

(Romeo, Mercutio, Benvolio mit fünf oder sechs Masken, Fackelträgern und anderen.)

ROMEO Soll diese Red uns zur Entschuldgung dienen? Wie? Oder treten wir nur grad hinein?

BENVOLIO Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte. Wir wollen keinen Amor, mit der Schärpe Geblendet, der den bunt bemalten Bogen Wie ein Tatar geschnitzt aus Latten trägt Und wie 'ne Vogelscheuch die Frauen schreckt; Auch keinen hergebeteten Prolog, Wobei viel zugeblasen wird, zum Eintritt. Laßt sie uns nur, wofür sie wollen, nehmen, Wir nehmen ein paar Tänze mit und gehn.

ROMEO Ich mag nicht springen; gebt mir eine Fackel! Da ich so finster bin, so will ich leuchten.

MERCUTIO Nein, du mußt tanzen, lieber Romeo.

ROMEO Ich wahrlich nicht! Ihr seid so leicht von Sinn Als leicht beschuht; mich drückt ein Herz von Blei Zu Boden, daß ich kaum mich regen kann.

MERCUTIO Ihr seid ein Liebender; borgt Amors Flügel und schwebet frei in ungewohnten Höhn.

ROMEO Ich bin zu tief von seinem Pfeil durchbohrt, Auf seinen leichten Schwingen hoch zu schweben. Gewohnte Fesseln lassen mich nicht frei; Ich sinke unter schwerer Liebeslast.

William Shakespeare
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