Romeo und Julia

Page 18

(Benvolio kommt zurück.)

BENVOLIO O Romeo, der wackre Freund ist tot, Sein edler Geist schwang in die Wolken sich, Der allzu früh der Erde Staub verschmäht.

ROMEO Nichts kann den Unstern dieses Tages wenden; Er hebt das Weh an, andre müssens enden.

(Tybalt kommt zurück.)

BENVOLIO Da kommt der grimmige Tybalt wieder her.

ROMEO Am Leben! Siegreich! Und mein Freund erschlagen! Nun flieh gen Himmel, schonungsreiche Milde! Entflammte Wut, sei meine Führerin!

(Tybalt kommt zurück.)

Nun, Tybalt, nimm den Schurken wieder, den du Mir eben gabst! Der Geist Mercutios Schwebt nah noch über unsern Häuptern hin Und harrt, daß deiner sich ihm zugeselle. Du oder ich! sonst folgen wir ihm beide.

TYBALT Elendes Kind, hier hieltest du's mit ihm Und sollst mit ihm von hinnen.

ROMEO Dies entscheide!

(Sie fechten; Tybalt fällt.)

BENVOLIO Flieh, Romeo, die Bürger sind in Wehr Und Tybalt tot. Steh so versteinert nicht! Flieh, flieh, der Prinz verdammt zum Tode dich, Wenn sie dich greifen. Fort, nur fort mit dir!

ROMEO Weh mir, ich Narr des Glücks!

BENVOLIO Was weilst du noch?

(Romeo ab. Bürger treten auf.)

EIN BÜRGER Wo lief er hin, der den Mercutio totschlug? Der Mörder Tybalts? Hat ihn wer gesehn?

BENVOLIO Da liegt der Tybalt.

EIN BÜRGER Auf, Herr, geht mit mir! Gehorcht! Ich mahn Euch von des Fürsten wegen.

(Der Prinz mit Gefolge, Montague, Capulet, ihre Gemahlinnen und andre.)

PRINZ Wer durfte freventlich hier Streit erregen?

BENVOLIO O edler Fürst, ich kann verkünden recht Nach seinem Hergang dies unselige Gefecht. Der deinen wackren Freund Mercutio Erschlagen, liegt hier tot, entleibt vom Romeo.

GRÄFIN CAPULET Mein Vetter! Tybalt! Meines Bruders Kind! O Fürst! O mein Gemahl! O seht, noch rinnt Das teure Blut! Mein Fürst, bei Ehr und Huld, Im Blut der Montagues tilg ihre Schuld!-- O Vetter, Vetter!

PRINZ Benvolio, sprich, wer hat den Streit erregt?

BENVOLIO Der tot hier liegt, von Romeo erlegt. Viel gute Worte gab ihm Romeo, Hieß ihn bedenken, wie gering der Anlaß, Wie sehr zu fürchten Euer höchster Zorn. Dies alles, vorgebracht mit sanftem Ton, Gelaßnem Blick, bescheidner Stellung, konnte Nicht Tybalts ungezähmte Wut entwaffnen. Dem Frieden taub, berennt mit scharfem Stahl Er die entschloßne Brust Mercutios; Der kehrt gleich rasch ihm Spitze gegen Spitze Und wehrt mit Kämpfertrotz mit einer Hand Den kalten Tod ab, schickt ihn mit der andern Dem Gegner wieder, des Behendigkeit Zurück ihn schleudert. Romeo ruft laut: Halt, Freunde, auseinander! Und geschwinder Als seine Zunge schlägt sein rüstger Arm, Dazwischen stürzend, beider Mordstahl nieder. Recht unter diesem Arm traf des Mercutio Leben Ein falscher Stoß vom Tybalt. Der entfloh, Kam aber gleich zum Romeo zurück, Der eben erst der Rache Raum gegeben. Nun fallen sie mit Blitzeseil sich an, Denn eh ich ziehen konnt, um sie zu trennen, War der beherzte Tybalt umgebracht. Er fiel, und Romeo, bestürzt, entwich. Ich rede wahr, sonst führt zum Tode mich.

GRÄFIN CAPULET Er ist verwandt mit Montagues Geschlecht, Aus Freundschaft spricht er falsch, verletzt das Recht. Die Fehd erhoben sie zu ganzen Horden, Und alle konnten nur ein Leben morden. Ich fleh um Recht; Fürst, weise mich nicht ab: Gib Romeo, was er dem Tybalt gab!

PRINZ Er hat Mercutio, ihn Romeo erschlagen; Wer soll die Schuld des teuren Blutes tragen?

GRÄFIN MONTAGUE Fürst, nicht mein Sohn, der Freund Mercutios; Was dem Gesetz doch heimfiel, nahm er bloß: Das Leben Tybalts.

PRINZ Weil er das verbrochen, Sei über ihn sofort der Bann gesprochen. Mich selber trifft der Ausbruch eurer Wut, Um euren Zwiespalt fließt mein eignes Blut; Allein ich will dafür so streng euch büßen, Daß mein Verlust euch ewig soll verdrießen. Taub bin ich jeglicher Beschönigung, Kein Flehn, kein Weinen kauft Begnadigung; Drum spart sie. Romeo flieh schnell von hinnen! Greift man ihn, soll er nicht dem Tod entrinnen. Tragt diese Leiche weg! Vernehmt mein Wort! Wenn Gnade Mörder schont, verübt sie Mord!

(Alle ab.)

ZWEITE SZENE

(Ein Zimmer in Capulets Hause)

(Julia tritt auf.)

JULIA Hinab, du flammenhufiges Gespann, Zu Phöbus' Wohnung! Solch ein Wagenlenker Wie Phaethon jagt' euch gen Westen wohl Und brächte schnell die wolkige Nacht herauf. Verbreite deinen dichten Vorhang, Nacht, Du Liebespflegerin, damit das Auge Der Neubegier sich schließ und Romeo Mir unbelauscht in diese Arme schlüpfe. Verliebten gnügt zu der geheimen Weihe Das Licht der eignen Schönheit, oder wenn Die Liebe blind ist, stimmt sie wohl zur Nacht. Komm, ernste Nacht, du züchtig stille Frau, Ganz angetan mit Schwarz, und lehre mich Ein Spiel, wo jedes reiner Jugend Blüte Zum Pfände setzt, gewinnend zu verlieren! Verhülle mit dem schwarzen Mantel mir Das wilde Blut, das in den Wangen flattert, Bis scheue Liebe kühner wird und nichts Als Unschuld sieht in innger Liebe Tun. Komm, Nacht! Komm, Romeo, du Tag in Nacht, Denn du wirst ruhn auf Fittichen der Nacht Wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken. Komm, milde, liebevolle Nacht! Komm, gib Mir meinen Romeo! Und stirbt er einst, Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn: Er wird des Himmels Antlitz so verschönen, Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt Und niemand mehr der eitlen Sonne huldigt.-- Ich habe Lieb erworben wie ein Haus, Und durfte noch nicht einziehn; bin verkauft, Doch noch nicht übergeben.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book