Romeo und Julia

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GRÄFIN CAPULET Ja, ja! Ihr wart ein feiner Vogelsteller Zu Eurer Zeit! Nun aber will ich Euch Vor solchem Wachen schon bewachen.

(Gräfin und Wärterin ab.)

CAPULET O Ehestand, o Wehestand! Nun, Kerle!

(Diener mit Bratspießen, Scheiten und Körben treten auf.)

Was bringt ihr da!

(Diener mit Bratspießen, Scheiten und Körben gehn über die Bühne.)

ERSTER DIENER 's ist für den Koch, Herr; was, das weiß ich nicht.

CAPULET Macht zu, macht zu!

(Erster Diener ab.)

Hol trockne Klötze, Bursch! Ruf Petern, denn der weiß es, wo sie sind.

ZWEITER DIENER Braucht Ihr 'nen Klotz, Herr, bin ich selber da Und hab nicht nötig, Petern anzugehn.

(Ab.)

CAPULET Blitz! Gut gesagt! Ein lustger Teufel! ha, Du sollst das Haupt der Klötze sein.--Wahrhaftig, 's ist Tag; der Graf wird mit Musik gleich kommen. Das woll er, sagt' er ja; ich hör ihn schon.

(Musik hinter der Szene.)

Frau! Wärterin! He, sag ich, Wärterin!

(Die Wärterin kommt.)

Weckt Julien auf! Geht, putzt sie mir heraus! Ich geh indes und plaudre mit dem Grafen. Eilt Euch, macht fort! Der Bräutgam ist schon da. Fort, sag ich Euch.

(Beide ab.)

FÜNFTE SZENE

(Juliens Kammer)

(Julia auf dem Bett. Die Wärterin kommt.)

WÄRTERIN Fräulein!--Nun, Fräulein! Julia!--Nun, das schläft! He, Lamm! He, Fräulein! Pfui, Langschläferin! Mein Schätzchen, sag ich! Süßes Herz! Mein Bräutchen! Was, nicht ein Laut? Ihr nehmt Eur Teil voraus, Schlaft für 'ne Woche; denn ich steh dafür, Auf nächste Nacht hat seine Ruh Graf Paris Daran gesetzt, daß wenig Ruh Ihr habt! Behüt der Herr sie! Wie gesund sie schläft! Ich muß sie aber wecken.--Fräulein! Fräulein! Laßt Euch den Grafen nur im Bett ertappen, Der wird Euch schon ermuntern; meint Ihr nicht?-- Was, schon in vollen Kleidern? Und so wieder Sich hingelegt? Ich muß durchaus Euch wecken. He, Fräulein! Fräulein! Fräulein!-- Daß Gott, daß Gott! Zu Hülfe! Sie ist tot! Ach, liebe Zeit! Daß ich je ward geboren! Bringt Weingeist, he! He, gnädger Herr! Frau Gräfin!

(Grafin Capulet kommt.)

GRÄFIN CAPULET Was ist das für ein Lärm?

WÄRTERIN O Unglückstag!

GRÄFIN CAPULET Was gibts?

WÄRTERIN Seht, seht nur! O betrübter Tag!

GRÄFIN CAPULET O weh, o weh! Mein Kind, mein einzig Leben! Erwach, leb auf, ich sterbe sonst mit dir! O Hülfe, Hülfe! Ruft doch Hülfe!

(Capulet kommt.)

CAPULET Schämt euch! Bringt Julien her! Der Graf ist da.

WÄRTERIN Ach sie ist tot, verblichen, tot! O wehe!

GRÄFIN CAPULET O wehe, wehe, sie ist tot, tot, tot!

CAPULET Laßt mich sie sehn!--Gott helf uns! Sie ist kalt, Ihr Blut steht still, die Glieder sind ganz starr, Von diesen Lippen schied das Leben längst, Der Tod liegt auf ihr, wie ein Maienfrost Auf des Gefildes schönster Blume liegt. Fluch dieser Stund! Ich armer alter Mann!

WÄRTERIN O Unglückstag!

GRÄFIN CAPULET O jammervolle Stunde!

CAPULET Der Tod, der mir sie nahm, mir Klagen auszupressen, Er bindet meine Zung und macht sie stumm.

(Bruder Lorenzo, Graf Paris und Musikanten treten auf.)

LORENZO Kommt! Ist die Braut bereit zur Kirch zu gehn?

CAPULET Bereit zu gehn, um nie zurückzukehren.-- O Sohn, die Nacht vor deiner Hochzeit buhlte Der Tod mit deiner Braut. Sieh, wie sie liegt, Die Blume, die in seinem Arm verblühte. Mein Eidam ist der Tod, der Tod mein Erbe; Er freite meine Tochter. Ich will sterben, Ihm alles lassen; wer das Leben läßt, Der läßt dem Tode alles.

PARIS Hab ich nach dieses Morgens Licht geschmachtet, Und bietet es mir solchen Anblick dar?

GRÄFIN CAPULET Unseliger, verhaßter, schwarzer Tag! Der Stunden jammervollste, so die Zeit Seit ihrer langen Pilgerschaft gesehn. Nur eins, ein einzig armes, liebes Kind, Ein Wesen nur, mich dran zu freun, zu laben-- Und grausam riß es nun der Tod mir weg!

WÄRTERIN O Weh! O Jammer--Jammer--Sachen hier sehn gar erbärmlich aus.

(Ab.)

[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT (zeigt auf sein Instrument.) Ja, meiner Treu, die Sachen hier könnten wohl besser aussehen, aber sie klingen doch gut.

William Shakespeare
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