Timon von Athen

Page 14

Lebe wohl.

Flaminius. Ist's möglich, daß die Welt sich in so kurzer Zeit so verändert hat? Weg, verdammte Niederträchtigkeit,

(er schmeißt das Geld weg)

geh' zu dem, dessen Abgott du bist.

Lucullus. Ha! Nun seh' ich daß du auch ein Narr bist, und wol zu deinem Herrn taugst.

(Lucullus geht ab.)

Flaminius. Möge geschmolznes Geld deine Strafe in der Hölle seyn, und diese Goldstüke zu den übrigen kommen, die dir glühend in den Rachen gegossen werden sollen, du verfluchter Heuchler von einem Freund-- Hat Freundschaft ein so schwaches milchichtes Herz, das in weniger als zwo Nächten gerinnt? O ihr Götter, ich fühle den Zorn, worinn dieses meinen Herrn sezen wird. Dieser Nichtswürdige hat in diesem Augenblik noch meines Herren Mahlzeit im Leibe! Laßt es, anstatt ihn zu nähren, sich in Gall und Gift verwandeln! Laßt es nichts als Krankheiten in ihm zeugen, und wenn er auf den Tod darnieder ligt, o! so laßt jedes Theilchen von Nahrungssaft, wofür mein Herr bezahlt hat, aller seiner heilsamen Kraft beraubt, zu nichts anderm dienen als durch langsame Pein seine lezte Stunde zu verzögern!

(Geht ab.)

Zweyte Scene. (Eine öffentliche Strasse.) (Lucius tritt mit dreyen Fremden auf.)

Lucius. Wer? der Lord Timon? Er ist mein sehr guter Freund, und ein würdiger Edelmann.

1. Fremder. Wir kennen ihn nicht anders, ob wir ihm gleich unbekannt sind. Aber ich kan euch soviel sagen, Milord, und ich hab' es von dem allgemeinen Gerüchte, daß Lord Timons glükliche Tage vorbey sind, und daß er sich in schlimmen Umständen befindet.

Lucius. Ey, nein, glaubt das nicht! Es kan ihm nicht an Gelde fehlen.

2. Fremder. Seyd versichert, Milord, es ist noch nicht lange, so war einer von seinen Leuten bey dem Lord Lucullus, und wollte fünfzig Talente von ihm entlehnen; er betrieb es ungemein, und machte die Noth sehr dringend, und doch wurd' es ihm abgeschlagen.

Lucius. Wie?

2. Fremder. Was ich euch sage, abgeschlagen, Milord!

Lucius. Das ist ein seltsamer Zufall! Nun, bey den Göttern! ich schäme mich für den Lucullus. Einem so angesehnen wakern Mann abzuschlagen! Er hat sehr wenig Ehre davon, wahrhaftig. Was mich betrift so muß ich bekennen, ich habe einige kleine Höflichkeiten von ihm empfangen, Geld, Silbergeschirr, Juweelen und dergleichen Kleinigkeiten, die in der That in keinen Vergleich mit demjenigen kommen, was Lucullus von ihm hat; aber hätt er ihn vorbeygegangen und zu mir geschikt, ich wollt ihm gewiß fünfzig Talente nicht abgeschlagen haben, ob die Summe gleich nicht gering ist. (Servilius zu den Vorigen.)

Servilius. Zu gutem Glük, find' ich hier den Lord Lucius; ich sucht' ihn schon in der ganzen Stadt--Gnädiger Herr!

Lucius. Servilius! Es freut mich euch zu sehen. Lebt wohl, empfehlt mich euerm würdigen, tugendhaften Herrn, meinem sehr werthen Freund.

Servilius. Mit Euer Gnaden Erlaubniß, mein Herr schikte--

Lucius. Ha! was schikt er? Ich bin euerm Herrn schon so viel verpflichtet, er schikt immer: Wie kan ich ihm meine Erkenntlichkeit bezeugen, meynst du? Und was schikt er mir dann?

Servilius. Er schikt Euer Gnaden nur seinen Gruß, mit Bitte, ihm wegen einem dringenden Anlas der ihm zugestossen, mit fünfzig Talenten auszuhelfen.

Lucius. Ich weiß, daß Se. Gnaden nur Scherz mit mir treibt; es kan ihm nicht an fünfzigmal fünfhundert Talenten fehlen.

Servilius. Indessen fehlt es ihm doch dißmal an einer viel kleinern Summe, Gnädiger Herr. Wenn er sie nicht so nothwendig brauchte, würd' ich nicht halb so eifrig mich darum bewerben.

Lucius. Sprichst du im Ernst, Servilius?

Servilius. Bey meiner Seele, Milord, es ist Ernst.

Lucius. Was für ein verwünschtes dummes Thier war ich, daß ich mich auf eine so gute Gelegenheit so sehr an Geld entblößt habe, wo ich hätte zeigen können, daß ich ein Mann bin, der auf Ehre hält! Wie unglüklich es doch zutreffen muß, daß er mich gerad in einer Zeit auf die Probe sezt, da ich ausser Stand bin--In der That, Servilius, bey den Göttern, ich bin ausser Stand--(ein desto dummeres Vieh, sag ich) Ich wollte diesen Augenblik selbst zum Lord Timon schiken, und ihn um eine Summe Gelds ansprechen, diese Herren können Zeugschaft geben: Aber izt wollt' ich nicht um alles Geld in Athen, daß ich es gethan hätte.

William Shakespeare
Classic Literature Library

All Pages of This Book