Herzog. Nun, und Jacques? Macht er dies Schauspiel nicht zur Sittenpredigt?
Erster Edelmann. O ja, in tausend Gleichnissen. Zuerst Das Weinen in den unbedürftgen Strom: "Ach, armer Hirsch!" so sagt' er, "wie der Weltling Machst du dein Testament: gibst dem den Zuschuß, Der schon zuviel hat."--Dann, weil er allein Und von den samtnen Freunden war verlassen: "Recht!" sagt' er, "so verteilt das Elend stets Des Umgangs Flut."--Alsbald ein Rudel Hirsche, Der Weide voll, sprang sorglos an ihm hin, Und keiner stand zum Gruße. "Ja", rief Jacques, "Streift hin, ihr fetten, wohlgenährten Bürger! So ist die Sitte eben; warum schaut ihr Nach dem bankrotten, armen Schelme da?" Auf diese Art durchbohrt er schmähungsvoll Den Kern vom Lande, Stadt und Hof, ja selbst Von diesem unserm Leben; schwört, daß wir Nichts als Tyrannen, Räuber, Schlimmres noch, Weil wir die Tiere schrecken, ja sie töten In ihrem eignen heimatlichen Sitz.
Herzog. Und ließet ihr in der Betrachtung ihn?
Erster Edelmann. Ja, gnädger Herr, beweinend und besprechend Das schluchzende Geschöpf.
Herzog. Zeigt mir den Ort, Ich lasse gern in diesen düstern Launen Mich mit ihm ein; er ist dann voller Sinn.
Erster Edelmann. Ich will Euch zu ihm bringen.
(Ab.)
Zweite Szene
Ein Zimmer im Palaste
(Herzog Friedrich, Herren vom Hofe und Gefolge treten auf)
Herzog Friedrich. Ist es denn möglich, daß sie niemand sah? Es kann nicht sein! nein, Schurken hier am Hof Sind im Verständnis mit und gaben's zu.
Erster Edelmann. Ich hörte nicht, daß irgendwer sie sah. Die Fraun im Dienste ihrer Kammer brachten Sie in ihr Bett und fanden morgens früh Das Bett von ihrem Fräulein ausgeleert.
Zweiter Edelmann. Mein Herzog, der Hanswurst, den Euer Hoheit Oft zu belachen pflegt', wird auch vermißt. Hesperia, der Prinzessin Kammerfräulein, Bekennt, sie habe insgeheim belauscht, Wie Eure Nicht' und Tochter überaus Geschick und Anstand jenes Ringers lobten, Der jüngst den nervgen Charles darniederwarf; Sie glaubt, wohin sie auch gegangen sind, Der Jüngling sei gewißlich ihr Begleiter.
Herzog Friedrich. Schickt hin zum Bruder, holt den Braven her; Ist der nicht da, bringt mir den Bruder selbst: Der soll ihn mir schon finden. Tut dies schnell; Laßt Nachsuchung und Forschen nicht ermatten, Die törichten Verlaufnen heimzubringen.
(Ab.)
Dritte Szene
Vor Olivers Hause
(Orlando und Adam begegnen sich)
Orlando. Wer ist da?
Adam. Was? Ihr, mein junger Herr?--O edler Herr! O mein geliebter Herr! O Ihr, Gedächtnis Des alten Roland! Sagt, was macht Ihr hier? Weswegen übt Ihr Tugend? schafft Euch Liebe? Und warum seid Ihr edel, stark und tapfer? Was wart Ihr so erpicht, den stämmgen Kämpfer Des launenhaften Herzogs zu bezwingen? Eur Ruhm kam allzu schnell vor Euch nach Haus. Wißt Ihr nicht, Junker, daß gewissen Leuten All ihre Gaben nur als Feinde dienen? So, bester Herr, sind Eure Tugenden An Euch geweihte, heilige Verräter. O welche Welt ist dies, wenn das, was herrlich, Den, der es hat, vergiftet!
Orlando. Nun denn, was gibt's?
Adam. Oh, unglückselger Jüngling! Geht durch dies Tor nicht; unter diesem Dach Lebt aller Eurer Trefflichkeiten Feind: Eur Bruder--nein, kein Bruder, doch der Sohn-- Nein, nicht der Sohn; ich will nicht Sohn ihn nennen Des, den ich seinen Vater heißen wollte-- Hat Euer Lob gehört und denkt zu Nacht Die Wohnung zu verbrennen, wo Ihr liegt, Und Euch darinnen. Schlägt ihm dieses fehl, So sucht er andre Weg, Euch umzubringen; Ich habe ihn belauscht und seinen Anschlag. Kein Wohnort ist dies Haus, 'ne Mördergrube; Verabscheut, fürchtet es, geht nicht hinein.
Orlando. Sag, wohin willst du, Adam, daß ich gehe?
Adam. Gleichviel wohin, ist es nur hieher nicht.
Orlando. Was? willst du, daß ich gehn und Brot soll betteln? Wohl gar mit schnödem, tollem Schwert erzwingen Als Straßenräuber meinen Unterhalt? Das muß ich tun, sonst weiß ich nichts zu tun; Doch will ich dies nicht, komme, was da will. Ich setze mich der Bosheit lieber aus Des abgefallnen Bluts und blutgen Bruders.