Und warum? Das fällt ins Auge wie der Weg zur Kirche: Der, den ein Narr sehr weislich hat getroffen, Wär wohl sehr töricht, schmerzt es noch sosehr, Nicht fühllos bei dem Schlag zu tun. Wo nicht, So wird des Weisen Narrheit aufgedeckt Selbst durch des Narren ungefähres Zielen. Steckt mich in meine Jacke, gebt mich frei Zu reden, wie mir's dünkt, und durch und durch Will ich die angesteckte Welt schon säubern, Wenn sie geduldig nur mein Mittel nehmen.
Herzog. O pfui! Ich weiß wohl, was du würdest tun.
Jacques. Und was, zum Kuckuck, würd ich tun als Gutes?
Herzog. Höchst arge Sünd, indem du Sünde schältest; Denn du bist selbst ein wüster Mensch gewesen, So sinnlich wie nur je des Tieres Trieb; Und alle Übel, alle bösen Beulen, Die du auf freien Füßen dir erzeugt, Die würdst du schütten in die weite Welt.
Jacques. Wie! wer schreit gegen Stolz Und klagt damit den einzelnen nur an? Schwillt seine Flut nicht mächtig wie die See, Bis daß die letzten, letzten Mittel ebben? Welch eine Bürgerfrau nenn ich mit Namen, Wenn ich behaupt, es tragen Bürgerfraun Der Fürsten Aufwand auf unwürdgen Schultern? Darf (eine) sagen, daß ich sie gemeint, Wenn so wie sie die Nachbarin auch ist? Und wo ist (der) vom niedrigsten Beruf, Der spricht: sein Großtun koste mir ja nichts-- Im Wahn, er sei gemeint--und seine Torheit Nicht stimmt dadurch zu meiner Rede Ton? Ei ja doch! wie denn? was denn? Laßt doch sehn, Worin ihm meine Zunge Unrecht tat. Tut sie sein Recht ihm, tat er selbst sich Unrecht; Und ist er rein, nun wohl, so fliegt mein Tadel Die Kreuz und Quer wie eine wilde Gans, Die niemand angehört.--Wer kommt da? seht!
(Orlando kommt mit gezognem Degen.)
Orlando. Halt! eßt nicht mehr!
Jacques. Ich hab noch nicht gegessen.
Orlando. Und sollst nicht, bis die Notdurft erst bedient.
Jacques. Von welcher Art mag dieser Vogel sein?
Herzog. Hat deine Not dich, Mensch, so kühn gemacht? Wie? oder ist's Verachtung guter Sitten, Daß du so leer von Höflichkeit erscheinst?
Orlando. Ihr traft den Puls zuerst; der dornge Stachel Der harten Not nahm von mir weg den Schein Der Höflichkeit; im innern Land geboren, Kenn ich wohl Sitte--aber haltet! sag ich, Der stirbt, wer etwas von der Frucht berührt, Eh ich und meine Sorgen sind befriedigt.
Jacques. Könnt Ihr nicht durch Vernunft befriedigt werden, So muß ich sterben.
Herzog. Was wollt Ihr haben? Eure Freundlichkeit Wird mehr als Zwang zur Freundlichkeit uns zwingen.
Orlando. Ich sterbe fast vor Hunger, gebt mir Speise.
Herzog. Sitzt nieder! eßt! willkommen unserm Tisch!
Orlando. Sprecht Ihr so liebreich? O vergebt, ich bitte! Ich dachte, alles müßte wild hier sein, Und darum setzt ich in die Fassung mich Des trotzigen Befehls. Wer ihr auch seid, Die hier in dieser unzugangbarn Wildnis Unter dem Schatten melancholscher Wipfel Säumt und vergeßt die Stunden träger Zeit: Wenn je ihr beßre Tage habt gesehn, Wenn je zur Kirche Glocken euch geläutet, Wenn je ihr saßt bei guter Menschen Mahl, Wenn je vom Auge Tränen ihr getrocknet Und wißt, was Mitleid ist und Mitleid finden, So laßt die Sanftmut mir statt Zwanges dienen: Ich hoff's, erröt und berge hier mein Schwert.
Herzog. Wahr ist es, daß wir beßre Tage sahn, Daß heilge Glocken uns zur Kirch geläutet, Daß wir bei guter Menschen Mahl gesessen Und Tropfen unsern Augen abgetrocknet, Die ein geheiligt Mitleid hat erzeugt: Und darum setzt in Freundlichkeit Euch hin Und nehmt nach Wunsch, was wir an Hilfe haben, Das Eurem Mangel irgend dienen kann.
Orlando. Enthaltet Euch der Speise nur ein Weilchen, Indessen wie die Hindin ich mein Junges Will füttern gehn. Dort ist ein armer Alter, Der manchen sauren Schritt aus bloßer Liebe Mir nachgehinkt: bis er befriedigt ist, Den doppelt Leid, das Alter schwächt und Hunger, Berühr ich keinen Bissen.
Herzog. Geht, holt ihn her! Wir wollen nichts verzehren, bis Ihr kommt.
Orlando. Ich dank Euch; seid für Euren Trost gesegnet!
(Orlando ab.)
Herzog. Du siehst, unglücklich sind nicht wir allein, Und dieser weite, allgemeine Schauplatz Beut mehr betrübte Szenen dar als unsre, Worin du spielst.